WIRTSCHAFTSSPIEGEL Thüringen – Ausgabe 4/2022

Leben und Arbeiten in Thüringen 9 arbeit beginnen – also dem Onboarding. Wie sollte es laufen und welche Fehler gilt es zu vermeiden? Richtiges Onboarding schafft Loyalität, Engagement und Rollenverständnis. In vielen Unternehmen beschränkt Onboarding sich auf den Einarbeitungsplan. Mitarbeiter bekommen Zeit, ihre Aufgaben zu erlernen, notwendige Kompetenzen zu erwerben und werden über Rechte und Pflichten informiert. Damit hat es sich meist – und dann heißt es „Jetzt schwimm los.“ Das reicht aber nicht für einen erfolgreichen Start der Zusammenarbeit. Sollen neue Kollegen ankommen, brauchen wir eine Willkommens-Strategie, die sechs Punkte umfassen sollte: Bereiten Sie die Ankunft vor: Wir freuen uns auf Dich. Pflegen Sie eine herzliche Begrüßung: Schön, dass Du da bist, wir haben auf dich gewartet. Verkaufen Sie Marke und Unternehmen: Ich bin die Marke, ich bin das Unternehmen. Teilen Sie einen Mentor zu. Schaffen Sie Verbindungen: Helfen Sie, Zugang zu den Netzwerken und Teams im Unternehmen zu bekommen. Halten Sie den Prozess am Laufen: Bieten sie Weiterbildung, soziale Events et cetera an. In Zeiten des Umbruchs in Wirtschaft und Gesellschaft – oder nennen wir es besser Transformation – haben wir es mit gleich zwei Phänomenen zu tun: Einerseits müssen und wollen sich Unternehmen neu aufstellen. Andererseits wollen sich Menschen beruflich neu orientieren. Diese Fachkräfte bringen ihre eigenen Erfahrungen und Wünsche mit, die dann auf die Vorstellungen des neuen Unternehmens und dessen Führungskräften treffen. Als Stichwort will ich hier nur das mobile Arbeiten in die Debatte einwerfen. Das klingt nach einem klassischen Zielkonflikt. Was heißt das für die Neuorganisation der Arbeitswelt in Unternehmen? Gibt es ein „richtig oder falsch“ beziehungsweise ein „entweder oder“? Auch hier gilt: Jedes Unternehmen ist anders, jede Führungskraft muss ihren eigenen Stil finden. Um dann die neue Mannschaft zu gewinnen und Veränderungen sicher zu meistern, kann beispielsweise das Konzept der „Übergangs-Objekte“ helfen, das aus der Entwicklungspsychologie stammt. Die Idee ist, Routinen und Kommunikationsinseln einzubauen. Ein Beispiel aus Kindertagen: Wenn ein Kind vor dem ersten Schultag nervös ist, nimmt es einen Glücksbringer mit, um die erste Trennung von zu Hause gut zu meistern. Zuhause bespricht man die neuen Eindrücke, erklärt, ermutigt. Nach und nach festigt sich die neue Situation – für beide Seiten. Transferieren wir diesen Prozess in die Arbeitswelt. Es gilt also: Miteinander reden hilft. Wie viel Mitsprache sollten neue Mitarbeitende bei der Gestaltung ihrer ganz persönlichen Arbeitsbedingungen haben? Auch hier kann ich nur ermutigen: Haben Sie Vertrauen! Lassen Sie eine Wahl beim „wie“. Nehmen wir an, Sie reduzieren Bürofläche, da immer mehr Mitarbeitende remote arbeiten. Jetzt kommen neue Leute hinzu. Lassen Sie die neuformierten Teams Arbeitsbereiche auswählen, Räume mitgestalten. Gemeinsam ein Umfeld zu kreieren, schafft einen neuen Teamgeist und gibt dem Einzelnen Sichtbarkeit und Wertschätzung. Nichts ist verbindender als Teamerfolg und Veränderung, die sich positiv auf Leben und Arbeiten auswirkt. Welche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Unternehmensphilosophie und dem Leitbild zu? Das muss man differenziert sehen. Die Menschen interessiert nicht, was Sie ein Leitbild nennen und an die Wand hängen. Die Menschen interessiert auch nicht, was Sie Ihre Grundwerte nennen und gleich neben das Leitbild an die Wand hängen. Sie wollen dieses Leitbild und diese Grundwerte gelebt sehen; in jeder Entscheidung, die Sie als Führungskraft treffen und jeder Handlung, die Sie vollziehen. Das ist, was Menschen prägt. Aber die Grundwerte sollten nicht nur die Unternehmenswerte betreffen. Sie müssen sich auch auf die persönlichen Werte konzentrieren und Ihren Mitarbeitenden helfen, ihre eigenen persönlichen Werte zu klären. Man kann das in drei Punkte aufschlüsseln: 1. Leben Sie Werte, Überzeugungen und Visionen vor. Menschen reagieren mehr auf das, was sie sehen, als auf das, was sie hören. Die Mitarbeitenden müssen Dinge wie Leitbilder und Grundwerte in Ihren Entscheidungen und Handlungen erkennen. 2. Helfen Sie Ihren Mitarbeitenden, ihre persönlichen Werte zu klären. Einer der wichtigsten persönlichen Werte ist Ehrlichkeit. Wenn Sie Ehrlichkeit säen, werden Sie Wachstum ernten. Starke persönliche Werte sind es, die Sie und Ihre Mitarbeiter leiten, das Richtige zu tun. 3. Führen Sie Ihr Unternehmen mit starken Werten statt mit Richtlinien. Die meisten Unternehmen setzen noch auf Unternehmensrichtlinien. Doch nach Richtlinien geführte Unternehmen erzeugen erzwungenen Gehorsam, während nach Werten geführte Unternehmen freiwilliges Engagement erzeugen. Interview: Torsten Laudien

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